BAWÜLON Nr. 3/2021 (43) Süddeutsche MATRIX für Literatur und Kunst

BAWÜLON – Süddeutsche MATRIX für Literatur und Kunst Nr.3/2021 (43)

Während ich diese Zeilen schreibe, ist die Welt draußen in Regen gehüllt. Gerade kam im Radio die Nachricht von der neuen Virusvariante in Südafrika, von der die Experten noch nicht wissen, welche Ausmaße sie haben wird. Wir alle sollen und müssen unsere Kontakte reduzieren. Und in dieser Zeit erreicht Sie die neue Bawülon, die zwar nicht wie eine Impfung gegen das Virus hilft, aber Möglichkeiten bietet, sich wenigstens zeitweise und in Gedanken in andere Länder und andere Zeiten begeben zu können. Wir laden Sie ein, mit den Autoren und Autorinnen nicht nur nach Deutschland, sondern auch nach Rumänien, Tschechien, Aserbaidschan, Polen, Ungarn, Georgien und schließlich in das Herz der großen Berge in den Ural zu reisen. Immerhin entführt uns das größte Kapitel in Bawülon in Die Welt und ihre Dichter. Vielleicht ist es gerade heutzutage gut, dass mehrere Artikel nicht bei der Gegenwart stehen bleiben, sondern einen Blick in vergangene Zeiten werfen.

Wie immer beginnt das Heft mit dem Versprechen, Ein Gedicht für jede Jahreszeit bereit zu halten. Zweisprachig, Rumänisch und Deutsch macht Theodor Vasilache mit Absturz in die Zeit den Anfang.Ein Gedicht, daser seinen Söhnen gewidmet hat.

Wir wussten / wer gut war und wer nie gut / werden würde. In gewohnter Kunstfertigkeit betrachtet Klaus Martens in neun Gedichten die Welt aus nachdenklicher Perspektive.

Tina Stroheker erzählt in Hana · Bilder und Texte von·dertschechischen Germanistin Hana Jüptnerová, die sich für die Versöhnung zwischen Tschechen und Deutschen engagierte.

Mehr als eine Fingerübung sind die 6 Gedichte von Walle Sayer. Sie erzählen in verschiedenen Belichtungszeiten von Früher, Damals, Einst.

Ein Weihnachtsgeschenk könnte der Gedichtekalender 2022 sein, mit dem Hubert Klöpfer in faksimilierten Handschriften durch das Jahr führt.

Corona geht durch den Herbst der Worte schreibt Matthias Buth in seinem Gedicht Kessel der Medea und ist damit ganz in der Gegenwart. Doch während wir uns in diesem Gedicht im Uferlosen verlieren, endet sein Zyklus mutmachend mit der nestzärtlichen Welt eines Rotkehlchens.

Mit Gedichten von Horst Samson, die er seinem Freund Rolf Bossert über die Jahre gewidmet hat und mit den Prolegomena des Initiators des Rolf-Bossert-Gedächtnispreises Hellmut Seiler sowie einem Gespräch mit ihm erinnern wir noch einmal an den wichtigen und jung verstorbenen Dichter Rolf Bossert.

Von Rumänien nach Aserbaidschan. Parvis Dschabrail, der 1971 geborene Vertreter der modernen aserbaidschanischen Literatur, erzählt in Die letzte Trauernacht eine etwas rätselhafte Geschichte zwischen Leben und Tod. Einige Gedichte ergänzen das Bild.

Mehr als fünfzig Seiten widmet Bawülon Gerti Michaelis Rahr. Kein Wunder, denn die 1921 in Stettin geborene Tänzerin und Sängerin hat über eine bewegte Lebensgeschichte viel zu erzählen. Sie hatte nicht nur unter der Herrschaft der Nazis zu leiden, wurde 1945 in die Sowjetunion verschleppt und später mit ihrem ungarischen Ehemann in dessen Heimat des Landesverrats verdächtigt. In Der Vorhang fiel beschreibt sie diese Ereignisse, nachdem sie mit ihrem Sohn, dem Schriftsteller Imre Törek, lange Gespräche geführt hatte. Textauszüge aus Gefangen im Internierungslager bei Moskau und aus der Novelle Unverhofft, ergänzt durch zahlreiche Fotos aus dem Familienalbum stellen die beeindruckende Künstlerin vor.

Von Imre Törek selbst lesen wir Schneewittchen, das Gehirn und das Gift – Eine Schauermär in unserer Zeit, eine Kurzgeschichte, die man, obwohl sie einige Jahre vor der Pandemie entstanden ist, unwillkürlich vor deren Folie liest.

Lebenslinien – Leselinien. Unter diesem Motto stellt uns Matthias Buth mit der Dichterin Hertha Kräftner eine weitere beeindruckende Frau vor. Obwohl sie mit nur 23 Jahren 1951 starb, hinterließ sie etwa einhundert Gedichte.

Und Peter Gehrisch macht uns auf eine überraschende geistige Konspiration zwischenAnna Seghers und dem vor zweihundert Jahren geborenen polnischen Dichter und Freiheitskämpfer Cyprian Norwid aufmerksam. Mit zwei Gedichten lernen wir Cyprian Norwid zusätzlich näher kennen.

Wir trauern um Béla Büchl, der im Oktober dieses Jahres leider verstorben ist. Uns bleibt nur übrig, seine humorvollen Texte weiterhin zu veröffentlichen. Aus dem Erzählband Vertrauliche Nachricht, der dieses Jahr im Pop-Verlag erschienen ist, haben wir die Geschichte ausgewählt, in der er aus der Perspektive eines Jugendlichen, der eigentlich nur Mädchen im Kopf hat, von einem in Wirklichkeit einschneidenden Erlebnis in seinem Lebenslauf erzählt: Von der bevorstehenden Deportation in die Băragăn-Steppe, die er zusammen mit seinen Eltern als Dreizehnjähriger erleben musste.

Im Atelier haben sich Mihaela Claudia Condrat und Ewart Reder mit sehr unterschiedlichen Texten eingefunden. Mihaela Claudia Condrat wirft in acht Gedichten einen lyrischen Blick auf die Gegenwart. Ewart Reder hingegen schreibt Homothematische Prosa über erstaunliche Befindlichkeiten von Handschuhen und einer Frisur.

Mit sieben Werken lädt das Bücherregal zum Verweilen ein. Matthias Buth, Wolfgang Schlott, Barbara Zeizinger und Widmar Puhl haben sich gründlich umgesehen und Lesenswertes aus unterschiedlichen Ländern und Zeiten ausgewählt.

Wie immer gibt es abschließend Berichte aus der Kulturszene. So berichtet Peter Frömming aus einem Werkstattgespräch über „Politische Lyrik“ und unser Musikliebhaber und -kenner Widmar Puhl ist begeistert von einem Prokofjew-Konzert mit der Pianistin Yulianna Adeeva.

Zum Schluss gilt es diesmal, unseren Freund und Verleger Traian Pop zu ehren. Er ist dieses Jahr nicht nur Dorfschreiber von Katzenbach in Siebenbürgen geworden (ein Amt, das er wegen Corona bisher nicht antreten konnte), sondern hat im November auch den nach dem schlesischen Dichter benannten Andreas-Gryphius-Preis verliehen bekommen. Wir gratulieren Traian Pop, der, wie Georg Aescht in seiner Laudatio erwähnte, von Dieter Schlesak einmal treffend als „Zwischenschaftler“ bezeichnet wurde. Ist er doch jemand, der nicht nur selbst Schriftsteller ist, Prosa, Lyrik sowie Theaterstücke schreibt, sondern gleichzeitig in seinem Verlag bisher rund 400 Bände anderer Autoren veröffentlicht hat. Also noch einmal: Herzlichen Glückwunsch oder Felicitări!

Barbara Zeizinger

• Theodor Vasilache • Klaus Martens • Tina Stroheker • Walle Sayer • Hubert Klöpfer • Matthias Buth • Parvis Dschabrail • Horst Samson • Klaus Hübner • Hellmut Seiler • Rolf-Bossert-Gedächtnispreis • Gerti Michaelis Rahr • Der Vorhang fiel. Lebenswege einer Künstlerin durch drei Diktaturen. Zeitzeugin eines Jahrhunderts. • Imre Török • Peter Gehrisch • Cyprian Kamil Norwid • Mihaela Claudia Condrat • Ewart Reder • Wolfgang Schlott • Barbara Zeizinger • Widmar Puhl • Peter Frömmig •

Barbara Zeizinger •Editorial / S. 4

Die Welt und ihre Dichter

Ein Gedicht für jede Jahreszeit

Theodor Vasilache Prăbuşire în timp / Absturz in die Zeit.  . Ein Gedicht für jede Jahreszeit in Original (rumänisch) und in deutsche Übertragung / S. 8

Klaus Martens • Neun Gedichte / S. 10

Tina Stroheker • Hana · Bilder und Texte/ S. 19

Walle Sayer • Fingerübung · 6 Gedichte/ S. 25

Hubert Klöpfer • Gedichtekalender 2022/ S. 31

Matthias Buth Acht Gedichte / S. 33

Rolf-Bossert-Gedächtnispreis

Horst Samson • Sechs Gedichte Rolf Bossert gewidmet im Laufe der Jahre. / S. 41

Hellmut Seiler • Bleiben wir Dichter?

Neue Prolegomena zum Rolf-Bossert-Gedächtnispreis/ S. 48

Klaus Hübner fragt Hellmut Seiler antwortet• Gedankensplitter und lyrische Launen . Gespräch mit Hellmut Seiler, der Initiator der Rolf-Bossert-Gedächtnispreis/ S. 50

Parvis Dschabrail • Die letzte Trauernacht . Prosa / S. 61

Parvis Dschabrail • Fünf Gedichte / S. 73

Gerti Michaelis Rahr • Lebenswege einer Künstlerin durch drei Diktaturen

Gerti Michaelis Rahr • Der Vorhang fiel . Russisches Intermezzo

 . Gefangen im Internierungslager bei Moskau/ S. 79

Gerti Michaelis Rahr • Unverhofft/ S. 115

Imre Török • Schneewittchen, das Gehirn und das Gift . Eine Schauermär in unserer Zeit/ S. 131

Matthias Buth Lebenslinien – Leselinien . Vor 70 Jahren ging die Dichterin Hertha Kräftner aus dem Leben / S. 141

Peter Gehrisch • Anna Seghers’ geistige Konspiration mit einem „Klassengegner“ . Zum 200. Geburtstag von Cyprian Norwid / S. 147

Cyprian Kamil Norwid Mein kleines Lied [II] . Trauer-Rhapsodie zum Gedächtnis Bems / S. 152

Béla Büchl Vertrauliche Nachricht. Prosa / S. 155

Atelier

Mihaela Claudia Condrat • Acht Gedichte/ S. 171

Ewart Reder • Die Homothematische . Prosa / S. 179

Bücherregal

Matthias Buth • Harald Gröhler, Dichter! Dichter / So begegneten sie mir. / S. 183

Wolfgang Schlott • Claude Cueni, Hotel California. One more thing: Meine Botschaft an Elodie. / S. 185

Wolfgang Schlott • Anna Nerkagi. Weiße Rentierflechte. / S. 187

Wolfgang SchlottTamara Labas, Durst der Krieger. Liebesgedichte. Liebesgedichte. / S. 189

Wolfgang SchlottColette. La Vagabonde. / S. 191

Barbara Zeizinger • Regine Kress-Fricke, Jean Kirsten, Hommage à Martha & Rudolf von Laban  / S.193

Widmar Puhl • Egnate Ninoschwili, Der edle Ritter unseres Landes. / S.195

Aus der Kulturszene

Peter Frömmig • Werkstattgespräch zum Thema „Politische Lyrik“ / S. 197

Widmar Puhl • Prokofjew pur mit 2000 Menschen: ein Ereignis / S. 202


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