BAWÜLON 1/2021 (41). Süddeutsche MATRIX für Literatur und Kunst

BAWÜLON – Süddeutsche MATRIX für Literatur und Kunst Nr.1/2021 (41)

Liebe Leserin, lieber Leser,

hier eine dicke Nummer, die für jeden etwas bereithält, seien die Tage heiß oder verregnet, kurz oder lang.

Die neue Bawülon ist Peter Frömmig gewidmet, der am 11. Juni seinen 75. Geburtstag feiern konnte. Geboren im sächsischen Eilenburg wuchs Frömmig im pfälzischen Speyer auf. Nach einer Feinmechanikerlehre sowie einigen Jahren Fabrik- und Montagearbeit war er Zeichner bei der Bundespost. 1968 erhielt er ein Stipendium bei der Dramatischen Werkstatt Salzburg, wo sein Bühnenstück „Konfrontationen“ uraufgeführt wurde. Ab 1969 arbeitete er in der Literatur- und Hörspielabteilung des ORF. Die Kurzgeschichte „Der Trip des Autostoppers X nach Da“ (1970) im Feuilleton der Salzburger Nachrichten war seine erste Publikation. Frömmig erhielt 1973 ein Jahresstipendium der Landesregierung Salzburg, die auch Bilder von ihm ankaufte.

1975 ging er in die USA, wo er als bildender Künstler in Idaho und an der Westküste seine Werke ausstellte. 1981 kehrte er nach Deutschland zurück. In Freiburg im Breisgau arbeitete er vorwiegend als Schriftsteller. Dazu nutzte er ein Stipendium vom Förderkreis deutscher Schriftsteller in Baden-Württemberg. Mit Im Schatten des Lärms. Zyklische Gedichte erschien 1988 bei der Edition Isele sein erstes Buch. 1990 erhielt Frömmig das Jahresstipendium für Literatur der Kunststiftung Baden-Württemberg, 2019 in Leipzig den Poesie-

album neu-Preis für das beste Gedicht des Jahrgangs 2018. Bisher sind von Frömmig 20 Bücher erschienen. Meinen schmalen Lyrikband Via Ronco 40 hat er mit einfühlsamen Zeichnungen geschmückt.

Seit 1995 lebt Frömmig in Marbach am Neckar. Als Mitarbeiter verschiedener Zeitschriften hat er zahlreiche Beiträge zu Kunst, Literatur und Zeitgeschichte verfasst, sowie Features für den SWR.

So viel in wenigen Sätzen zur Vita Peter Frömmigs. Mehr erfahren wir von ihm selbst in der neuen Nummer von Bawülon. Am Anfang stehen die Gedichte in Zusammenhang mit seinen Bildern. Beides zeichnet ihre Sparsamkeit aus, und dies schon bedeutet viel in Zeiten der Geschwätzigkeit und greller Bilder.

Augen wie Schlüssellöcher

Augen in denen

Rätsel verborgen liegen

Die folgenden Prosatexte schildern Erlebtes, Erdachtes, auch wie sich beides ineinanderflicht wie in den Reflexionen über Brücken.

Brücken ziehen seit jeher sowohl Liebespaare als auch Lebensmüde an. Unter Brücken suchen Obdachlose Schutz.

In Fluchtwege erzählt Frömmig, wie seine Familie kurz vor dem Mauerbau die SBZ verlassen hat und der lange Arm der SED sie im Westen noch erreichen konnte. Meine Muttersprache erinnert an das Schicksal des Lyrikers Ludwig Greve, der unter abenteuerlichen Umständen der Ermordung durch den Nazistaat entgehen konnte und später für zwanzig Jahre die Leitung der Bibliothek des Deutschen Literaturarchivs in Marburg innehatte. Aus dem Exil nach Marbach ist ein Besuch des dortigen Friedhofs, Vom Gehen im Eis handelt von einer Fußreise Werner Herzogs nach Paris, Aufbruch erzählt von der Jugend des Peter Frömmig, Im Bauch der Stadt vom Untertauchen in Köln, um dem Wehrdienst zu entgehen, Gemeinschaft durch Poesie von seiner Salzburger Zeit und schließlich Kellertage vom Problem des Erinnerten in spinnenverwebten Kisten.

Von Anton Sterbling lesen wir die dystopische Geschichte einer zerstörten Ehe in Zeiten einer „Grünen Revolution“.

Von der russisch-lettischen Dichterin Tatyana Zhitkova drucken wir Gedichte im russischen Original und in der Übersetzung von Teresa Günther.

Benedikt Dyrlich erinnert an den slowakischen Publizisten, Literaturkritiker, Lektor, Verleger und Übersetzer Peter Čačko, der am 6. Februar 2021 in Bratislava verstorben ist.

Widmar Puhl berichtet vom dritten Teil seiner „Abenteuerreise mit Chor“ in Israel. Sein interessanter Text wird unterfüttert mit ausdrucksvollen Fotos.

Peter Gehrisch hat nachdenklich stimmende Gedichte des polnischen Dichters Benedykt Stanisław Kozieł übersetzt.

Eine spannend freche und zugleich traurige Geschichte erzählt Béla Büchl von der „Auswanderung“ aus Rumänien nach Deutschland.

Das Bücherregal ist prall gefüllt mit Rezensionen von Georg Aescht, Wolfgang Schlott, Widmar Puhl, Eva Filip, Peter Gehrisch, Rainer Wedler und Uli Rothfuss.

„Bawülon“ kommt mit Verspätung, ist dafür umso gewichtiger geworden für die Lektüre im Schatten heißer Tage, bei Regen sollte das Dach des Hauses in gutem Zustand sein.

Rainer Wedler

• Peter Frömmig • Sedimente der Zeit • Rainer Wedler • Anton Sterbling • Tatjana Schitkowa • Benedikt Dyrlich • Benedykt Kozieł • Béla Büchl • Widmar Puhl • Georg Aescht • Eva Filip • Wolfgang Schlott • Peter Gehrisch • Uli Rothfuss • Regine Kress-Fricke •

Rainer Wedler • Editorial / S. 5

Editorial / S. 5

Die Welt und ihre Dichter

Peter Frömmig wird 75 Jahre alt

Peter Frömmig • Corona Pictures / S. 6

Peter Frömmig •Spaltbreit. Gedichte zwischen Tag und Nacht . Neue Gedichte / S. 7

Sedimente der Zeit

Peter Frömmig •Reflexionen über Brücken / S. 27

Peter Frömmig •Fluchtwege / S. 33

Peter Frömmig •Meine Stiefmuttersprache / S. 42

Peter Frömmig •Aus dem Exil nach Marbach / S. 49

Peter Frömmig •Vom Gehen im Eis / S. 56

Peter Frömmig •Aufbruch / S. 62

Peter Frömmig •Im Bauch der Stadt / S. 68

Peter Frömmig •Gemeinschaft durch Poesie / S. 87

Peter Frömmig •Kellertage / S. 97

Anton Sterbling •Ende einer Pandemie / S. 103

Tatyana Zhitkova • Я сегодня не сплю / Schlaflos bin ich, find nicht wieder den Schlaf • Vier Gedichte im Original (russisch) und in der deutschen Übertragung / S. 124

Benedikt Dyrlich • In Erinnerung an Peter Čačko / S. 132

Zeitgeschichte

Widmar Puhl • Abenteuerreise mit Chor . Teil III / S. 138

Atelier

Benedykt Kozieł • Vierzehn Gedichte/ S. 122

Béla Büchl • Bei den Irren Prosa / S. 165

Bücherregal

Georg Aescht • Er schreibt sich und uns „etwas her“

Hellmut Seiler,  Gnomen / S. 191

Wolfgang Schlott • Egnate Ninoschwili, Der edle Ritter unseres Landes / S. 194

Widmar Puhl • Anton Sterbling, ein rumänischer Kafka / S. 197

Eva Filip • Mit Würde verstehen und verändern wir die Welt . Emil Hurezeanu, Zärtlichkeit, Routine.Gedichte eines Knauserers 1979 – 2019 / S. 202

Peter Gehrisch • Adriana Carcu’s Kurzprosa mit zehn Gedichten / S. 217

Rainer Wedler • Vom höchst differenten Leben der Tiere . Ludwig, Mario, Das Familienleben der Tiere / S.220

Uli Rothfuss • Ein grandioser Fotoband.Normandievon Nicole Strasser / S. 222

Forum

Regine Kress-Fricke • Corona-Freiluft-Literaturübung / S. 223


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